Prävention der Frühkindlichen Karies

Early Childhood Caries (ECC)

Die frühkindliche Karies oder auch Early Childhood Caries (ECC) soll in den vergangenen Jahren in Deutschland (stark) zugenommen haben. Den verschiedensten Veröffentlichungen nach liegt die durchschnittliche Prävalenz je nach Region zwischen zehn und 15 Prozent. Dabei konzentriert sich das Erkrankungsrisiko auf Bevölkerungsschichten mit niedrigem sozialem Status: Zwei Prozent dieser Kinder vereinen 52 Prozent der Karies auf sich [1].

Die Frühkindliche Karies gilt als die häufigste chronische Erkrankung im Kindesalter [2, 3]. Allerdings liegen keine validen Daten vor, welche die exakte Krankheitsprävalenz wiedergeben könnten. Nicht zuletzt das Fehlen eines allgemeingültigen Index zur Erfassung des Krankheitsbildes ist u.a. für die sehr eingeschränkte Datenlage verantwortlich [4, 5]. Damit ist ein Vergleich regionaler, nationaler und internationaler Daten aufgrund der Uneinheitlichkeit der verwendeten Indizes nicht ohne weiteres möglich.

Auf Betreiben der American Academy of Pediatric Dentistry (AAPD) wird der Begriff „Early Childhood Caries“ (ECC) für die Bezeichnung der Frühkindlichen Karies empfohlen der auch in Deutschland mittlerweile sehr gebräuchlich ist [5, 6]. Die Bezeichnung „Nuckelflaschenkaries“ (NFK) ist in Deutschland aber auch noch populär.

Eine besondere Fokussierung auf die Kinder im Vorkindergartenalter, bzw. der Kinder < 3 Jahre legt die AAPD nicht vor (Tab. 1).

Tabelle 1: Konsentierung des Begriffs „Early Childhood Caries“ (ECC) (vormals Nursing Bottle Caries, 1978) sowie Einteilung der ECC nach Drury, 1999 und AAPD, 2014

AAPD Klassifikation der ECC und Severe ECC (S-ECC)

Befund

Alter

Merkmal

ECC

< 6 Jahre

dmf-s ≥ 1 (auch Initialkaries)

S-ECC

< 3 Jahre

Jedes Anzeichen einer Glattflächenkaries (auch Initialkaries)

S-ECC

3-5 Jahre

Karieserfahrung Glattfläche an Oberkiefer-Frontzähnen oder

3 Jahre

dmf-s ≥ 4

4 Jahre

dmf-s ≥ 5

5 Jahre

dmf-s ≥ 6

Derzeit fehlt nämlich eine definierte, bzw. standardisierte altersmäßige Eingrenzung der betroffenen Gruppe Kinder, die u.a. mal als Kleinkinder, Vorschulkinder oder Kindergartenkinder bezeichnet wird. Der Umstand, dass die kindliche Entwicklung nicht zwingend an das chronologische Alter gebunden ist, macht es nicht einfacher, eine valide und allgemeingültige Einteilung, bzw. Eingrenzung kindlicher Entwicklungsphasen – ohne Berücksichtigung des Dentitionsalters – zu definieren [7].

Eindeutig wird aber auf Grundlage der Ergebnisse der aktuellen epidemiologischen Begleituntersuchung der DAJ belegt, dass in Deutschland noch immer annähernd die Hälfte aller eingeschulten Kinder (46,1%) bereits eine Karieserfahrung gemacht hat [8]. Von dem von der Bundeszahnärztekammer e.V. (BZÄK) auf Grundlage der Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angestrebten Gesundheitsziel von 80,0% kariesfreien Milchgebissen bei 6- bis 7-Jährigen im Jahr 2020 [9] ist Deutschland somit noch weit entfernt.

Auf internationaler Ebene – insbesondere aus dem angelsächsischen Raum – gibt es mehrere Empfehlungen von Fachgesellschaften zur Prävention der ECC [10-13] (Abb. 1). In Deutschland sind das Präventionskonzept der BZÄK und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung e.V.(KZBV) [14] und die Empfehlungen zu zentralen Inhalten der Gruppenprophylaxe für Kinder unter drei Jahren der DAJ [15] veröffentlicht.

Abb ECC AAST.png

Abbildung 1: Der strategische Rahmenplan zur ECC-Prävention. Aus: Association of State & Territorial Dental Directors (AASTD): Prevention and Control of Early Childhood Tooth Decay (2013)

Die Einschätzung der ECC-Krankheitslast in Deutschland stützt sich dabei auf eine Reihe nationaler epidemiologischer Querschnittsuntersuchungen. Diesen Untersuchungen liegt jedoch weder ein einheitlicher Index zur Erfassung der ECC zugrunde, noch wurden Kinder der gleichen Altersgruppe untersucht.

Ein einheitlicher Index ist aus Sicht des Bundesverbandes der Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes e.V. (BZÖG) zur Erfassung und Klassifikation der ECC/S-ECC notwendig, um die Krankheitslast verlässlich auf nationaler, wie auch internationaler Ebene vergleichbar bestimmen zu können.

In diesem Zusammenhang gibt die AAPD wertvolle Hinweise hinsichtlich eines verwendbaren Index, der zudem in aktuellen epidemiologischen sowie klinischen Studien zunehmend Anwendung findet [16-18].

Die grundsätzliche Problematik einer 1:1 Übernahme des Index liegt jedoch darin, dass eine flächenbezogene Karieserfassung vorausgesetzt wird, die im Rahmen der zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchungen in KiTas und Schulen durch den ÖGD kaum Anwendung findet. Hier erfolgt die Befunderfassung zahnbezogen.

Eine Erfassung/Dokumentation der S-ECC nach den Altersstufen der 3- bis 5-Jährigen ist gemäß den Vorgaben der AAPD daher nicht ohne weiteres möglich. Aus diesem Grund und weil in einer aktuellen epidemiologischen Untersuchung von Wulaerhan et al. der AAPD-Index zahn- und nicht flächenbezogen angewendet wurde [18], erfolgten Kontaktaufnahmen durch den BZÖG zu mehreren Universitäten sowie zur AAPD.

Es galt abzuklären, inwieweit alternativ eine Einordnung der S-ECC nach Altersstufen und zahnbezogener Dokumentation der Karieserfahrung möglich sei. Tatsächlich soll aber im Ergebnis derzeit nur der sensiblere Flächenbefund zur Einteilung nach ECC und S-ECC verwendet werden.

Ob und inwieweit eine Zuordnung zu den beiden ECC-Formen mittels zahnbezogener Befunde erfolgen könne, soll im Rahmen der Neuauflage der Empfehlungen der AAPD im Vorfeld diskutiert werden, so der Erstautor der „Policy on Early Childhood Caries“ der AAPD.

Bis dahin gilt die Empfehlung des BZÖG, eine ECC/S-ECC-Klassifikation nach der Vorgabe der AAPD zu verwenden, die der Tabelle 2 entnommen werden kann.

Tabelle 2: BZÖG Modifikation der Klassifikation der ECC/S-ECC nach AAPD

ECC-BZOeg.png

Die Anbieter für die im ÖGD verwendeten Programme zur zahnärztlichen Befunderfassung und Dokumentation werden zeitnah kontaktiert, um eine entsprechende elektronische Erfassung zu ermöglichen.

Korrespondenzadresse: Dr. Pantelis Petrakakis, BZÖG – Ressortleiter Prävention und Gesundheitsförderung, petrakakis@bzoeg.de

Literaturangaben im Download

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