2012 - Kongress in Erfurt

Der Öffentliche Gesundheitsdienst - die dritte Säule des Gesundheitswesens!

Das sommerliche Wetter und die malerische Altstadt von Erfurt boten ideale Rahmenbedingungen für den 62. Wissenschaftlichen Kongress der Bundesverbände der Zahnärzte (BZÖG) sowie der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes e. V. (BVÖGD). Vom 10. bis 12 Mai konnten sich die zahnärztlichen Kolleginnen und Kollegen, die aus dem gesamten Bundesgebiet zahlreich angereist waren, an insgesamt drei Tagen bei den wissenschaftlichen Fachvorträgen und der Posterausstellung von den aktuellen Entwicklungen der Mundgesundheit bei Kindern und Jugendlichen ein gutes Bild machen.

Der diesjährige Kongresstitel „Der Öffentliche Gesundheitsdienst – die dritte Säule des Gesundheitswesens!“ verwies sinnbildlich auf den hohen Stellenwert eines funktionsfähigen Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) neben der ambulanten und stationären Versorgung in Deutschland. Für einen starken ÖGD sprachen sich im Rahmen der traditionellen Eröffnungsveranstaltung neben Herrn Thomas Ilka, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium und der Gesundheitsministerin Thüringens, Frau Heike Taubert, auch der Oberbürgermeister der Stadt Erfurt, Andreas Bausewein sowie die Präsidenten der Ärzte- und Zahnärztekammer Thüringens, Herr Dr. Mathias Wesser (Ärztekammer) und Herr Dr. Andreas Wagner (Landeszahnärztekammer) aus und lobten dessen Leistungen in Prävention und Gesundheitsförderung. In seiner Festansprache „Zwischen Individualität und Gemeinwohl – Bemerkungen zur Aufgabe des Öffentlichen Gesundheitsdienstes“ ging Herr Prof. Dr. Bernhard Vogel, ehemaliger Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen unter anderem auf die zentrale Bedeutung der Mundgesundheit für die Allgemeingesundheit ein und wies darauf hin, dass die Bemühungen aller Akteure für die Erhaltung der Zahngesundheit nicht nachlassen dürfen.

Im Rahmen der Fachvorträge und der Posterpräsentation war eine erfreulich hohe Beteiligung von Kolleginnen und Kollegen aus dem ÖGD zu verzeichnen. Frau Dipl.-Stom. Sabine Ulonska (Gesundheitsamt Sömmerda/Thüringen) und Frau Dr. Kathrin Limberger (Gesundheitsamt Erfurt) gaben in ihren Vorträgen einen guten Überblick zur Historie und Struktur der Jugendzahnpflege sowie der Entwicklung der Mundgesundheit von Kindern und Jugendlichen in Thüringen und in Erfurt. Der Wrigley-Prophylaxepreisträger des Jahres 2011, Herr Dr. Klaus-Günther Dürr, (Gesundheitsamt Main-Taunus-Kreis) blickte in seinem Vortrag auf 20 Jahre erfolgreiche Gruppenprophylaxe auf kommunaler Ebene zurück. Frau Dr. Ilka Gottstein (Gesundheitsamt Landkreis Eichsfeld/Thüringen) empfahl in ihrem Vortrag die Verwendung des Befundschemas der Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG) zur epidemiologischen Erfassung kieferorthopädischer Anomalien im ÖGD. Auf die besondere Rolle der Gruppenprophylaxe zur frühzeitigen Erfassung behandlungsbedürftiger kieferorthopädischer Anomalien wies Herr Prof. Dr. Christopher Lux (Universität Heidelberg) hin.

Anhand eindrucksvoller klinischer Beispiele und aktueller Studienergebnisse präsentierte Frau Prof. Dr. Carolina Ganß (Universität Gießen) die verschiedenen Schweregrade und die Pathomechanismen bei der Entstehung von Erosionen. Sie ging dabei auf die besondere Bedeutung der häuslichen Anwendung neuer Zahnpflege-Präparate ein, die zu einer besseren Säureresistenz der Zahnoberflächen beitragen können.

Gleich zwei Vorträge beschäftigten sich mit der geschmacklichen Akzeptanz von Prophylaxeprodukten. Dass Junior Zahnpasten aufgrund ihres Geschmacks bei Kindern und Jugendlichen in der Wechselgebissphase sehr gut akzeptiert werden, zeigte Frau Prof. Dr. Susanne Kneist (Universität Jena). Frau Dr. Kirsten Schmied, niedergelassene Zähnärztin in Rittmarshausen bei Göttingen, präsentierte in ihrer videobasierten Analyse die Reaktion 2- bis 5-jähriger Kindergartenkinder auf verschiedene lokale Fluoridierungsmittel. Sie betonte, dass man die Geschmackspräferenzen der Zielgruppe beachten sollte, um eine hohe Akzeptanz der Fluoridprophylaxe zu erreichen.

Dass sich Kinder bei Lebensmitteln beliebter Marken trotz Warnhinweisen eher für das ungesündere Lebensmittel entscheiden, und dass Industrie und Eltern dadurch eine hohe Verantwortung tragen, waren die zentralen Aussagen des Vortrags von Herrn Dr. Gunnar Mau, tätig am Lehrstuhl für Marketing der Universität Siegen.

Herr Zahnarzt Martin Deichsel (Universität Jena) und Herr Prof. Dr. Ulrich Schiffner (Universität Hamburg-Eppendorf) gingen in ihren Vorträgen auf die Risikofaktoren der Frühkindlichen Karies ein. Herr Prof. Schiffner bezeichnete in seinem mit dem Wrigley-Prophylaxepreis 2011 ausgezeichneten Beitrag die Parameter „niedrige Sozialschichtzugehörigkeit“ sowie „sichtbare Plaque an den Oberkiefer-Frontzähnen“ als gute Prädiktoren für ein erhöhtes Kariesrisiko.

Herr Dr. Günther Pfaff (Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg) zeigte in seinem Vortrag, dass Amalgam weitestgehend nicht mehr als Füllungsmaterial bei Kindern und Jugendlichen aller Altersklassen in Grund- und weiterführenden Schulen Baden-Württembergs verwendet wird.

Interdisziplinäre Kooperationen zur Förderung der Mundgesundheit und fachübergreifende Themen standen im Mittelpunkt mehrerer Vorträge und stießen auf ein hohes Interesse in der Zuhörerschaft. Herr Prof. Dr. Wolfgang Angerstein (Universität Düsseldorf) präsentierte in seinem sehr anschaulich und unterhaltsam präsentierten Vortrag Zusammenhänge zwischen Zungenbewegungen, Velumfunktion, Tuben-Mittelohr-Belüftung und Paukenergüssen und gab praktische und nützliche Hinweise zur Feststellung der Indikation zur logopädischen Behandlungsnotwendigkeit von Artikulationsstörungen. Auf die die Zusammenhänge von Karies, Dysgnathien, Habits und oraler Gesundheit wies Frau Dr. Rotraut Reinhard (Universität Mainz) in ihrem Vortrag hin. Die positiven Auswirkungen eines aufsuchenden intersektoralen Betreuungskonzepts auf die kindliche Mundgesundheit wurden von Frau Dr. Yvonne Wagner (Universität Jena) präsentiert. Frau Dr. Inka Goddon (Gesundheitsamt Ennepe-Ruhr-Kreis) stellte in Ihrem Beitrag ein ganzheitlich orientiertes, modulares Betreuungskonzept zur Gesundheitsförderung im Setting Kindertagesstätte vor.

Der Posterbeitrag des Gesundheitsamtes Erfurt und der Universität Jena „Mundgesundheit von Erfurter Schülern mit geistiger Behinderung“ erhielt den 1. Preis. Die Posterjury lobte das klare Konzept des Posters und bezeichnete den Beitrag als gutes Beispiel für eine erfolgreiche wissenschaftliche Kooperation zwischen ÖGD und Universität, das als Ansporn für weitere Projekte dieser Art gelten sollte.

Neben den interessanten und abwechslungsreichen Fach- und Postervorträgen stand auch die Neuwahl des BZÖG-Vorstandes an. Der bisherige Vorstand, repräsentiert durch den 1. Vorsitzenden, Dr. Pantelis Petrakakis, die 2. Vorsitzende, Dr. Sabine Breitenbach sowie der Geschäftsführerin, Frau Dr. Cornelia Wempe und dem Schatzmeister, Herrn Zahnarzt Bernd Schröder stellte sich zu Wiederwahl und wurde durch die Delegiertenversammlung des BZÖG im Amt bestätigt. Nicht mehr zur Wiederwahl stellte sich die langjährige Beisitzerin und Redakteurin des Verbandsjournals „Zahnärztlicher Gesundheitsdienst“, Frau Dr. Grit Hantzsche. Ihre Funktion wird in Zukunft Frau Dipl.-Stom. Erdmuthe Kettler übernehmen. Gleichzeitig stimmte die Delegiertenversammlung den Anträgen des Vorstands zur Änderung der BZÖG-Satzung zu. Demnach wird zukünftig der Vorstand um die Positionen des Wissenschaftlichen Referenten und der Internetredaktion erweitert, die bis zur nächsten Delegiertenversammlung in 2013 durch Herrn Dr. Uwe Niekusch und Frau Dr. Hantzsche kommissarisch bekleidet werden.

Eine Ehrung der besonderen Art wurde Frau Dr. Juliane Frühbuß zuteil. Sie erhielt im Rahmen des Kongresses für ihre besonderen Verdienste und ihr Engagement für das Öffentliche Gesundheitswesen und in der Sozialen Zahnmedizin sowie für ihren langjährigen humanitären Einsatz zur zahnärztlichen Versorgung der Landbevölkerung in Myanmar als höchste Auszeichnung, die durch den BZÖG auf Bundesebene verliehen wird, das Silberne Ehrenzeichen.

Verfasser des Berichts

Dr. P. Petrakakis
petrakakis@bzoeg.de

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