89. Gesundheitsministerkonferenz: Für einen starken Öffentlichen Gesundheitsdienst

Die Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes stand im Mittelpunkt der zweitägigen 89. Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK), die am 30. Juni 2016 in Rostock-Warnemünde zu Ende ging.

Alle 16 Bundesländer haben einstimmig dem Entwurf eines neuen Leitbildes für einen starken Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) zugestimmt. Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Gesundheit der Länder sehen im ÖGD „ein professionelles Netzwerk, das mit und in allen Gesundheitsbereichen von der Prävention und Gesundheitsförderung, dem Gesundheitsschutz bis zur Versorgung kooperativ und koordinierend tätig ist.“ Damit wird die Bezeichnung des ÖGD als „dritte Säule im Gesundheitswesen (neben der ambulanten und der stationären Versorgung)“ als nicht zeitgemäß eingestuft. Die Aufgaben des ÖGD sind heute nicht mehr nur die Überwachung und Kontrolle von Gesundheitsrisiken. Eine immer größere Rolle werden Gesundheitsförderung und Gesundheitsvorsorge aber auch die Mitgestaltung und Mitwirkung bei der Gesundheitsversorgung spielen.

Der Beschluss lautet:

Für einen starken Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD)

1. Die GMK betont die unverzichtbare Rolle des ÖGD im Gesundheitswesen, die sich vom Gesundheitsschutz der Bevölkerung, der Gesundheitsförderung und Gesundheitsvorsorge bis zur Mitgestaltung und Mitwirkung bei der Gesundheitsversorgung erstreckt. Sie ist der Auffassung, dass diese Rolle noch stärker gegenüber allen politischen Ebenen und den Akteuren der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen herauszustellen ist.

2. Die Herausforderungen für die Gesunderhaltung der Bevölkerung und damit für die Aufgabenwahrnehmung durch den ÖGD werden angesichts von Globalisierung, demografischem Wandel und nicht zuletzt durch die Flüchtlingsbewegungen komplexer. Deshalb sieht die GMK die Notwendigkeit, die Perspektiven für den ÖGD neu zu bestimmen und auf allen politischen Ebenen die Grundlagen für die Gewinnung qualifizierter, motivierter Fachkräfte zu verbessern.

3. Die GMK sieht im ÖGD ein professionelles Netzwerk, das mit und in allen Gesundheitsbereichen von der Prävention und Gesundheitsförderung, dem Gesundheitsschutz bis zur Versorgung kooperativ und koordinierend tätig ist. Die Bezeichnung des ÖGD als dritte Säule im Gesundheitswesen (neben der ambulanten und der stationären Versorgung) bildet die aktuellen Herausforderungen für den ÖGD nicht umfassend genug ab. Die GMK begrüßt deshalb ein modernes Leitbild auf der Grundlage des vorgelegten Diskussionspapieres, das neue Perspektiven für den ÖGD aufzeigt. Die GMK regt an, dass alle Träger des ÖGD und die für den ÖGD engagierten Verbände und Institutionen hierzu in die weitere Diskussion eintreten und bittet die AOLG, sich aktiv und moderierend in diesen Prozess einzubringen und dabei den Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes sowie andere relevante Berufsverbände zu beteiligen.

4. Die GMK hält es für erforderlich, die Arbeit des ÖGD auch zukünftig effektiv und effizient zu gestalten. Sie begrüßt deshalb die vielfältigen Maßnahmen zur Organisationsentwicklung und Kooperationsmodelle und beauftragt die AOLG, den weiteren Erfahrungsaustausch der Länder und der kommunalen Träger des ÖGD über Beispiele guter Praxis stetig zu befördern.

Perspektive Wissenschaft

5. Die GMK spricht sich für eine stärkere Verbindung des ÖGD mit der Wissenschaft sowohl in der Forschung als auch in der medizinischen Aus- und Weiterbildung aus. Studierende der Medizin müssen bereits im Studium an die Themenfelder der Öffentlichen Gesundheit herangeführt werden. Die GMK fordert den Bund auf, in der Approbationsordnung für Ärzte das Thema Öffentliche Gesundheit verpflichtend zu verankern. Sie bittet um eine klarstellende Änderung der Approbationsordnung, damit Medizinstudierende die Möglichkeit haben, den ÖGD praktisch kennenzulernen.

6. Um die Zusammenarbeit in Lehre und Forschung zu fördern, hält die GMK eine strukturelle Verankerung des Themenschwerpunkts „Öffentliche Gesundheit“ an geeigneten Hochschulen für erforderlich. Dies sollte in gemeinsamer Weiterentwicklung mit den Lehrstühlen für „Public Health“ erfolgen, die sich stärker den operativen Themen des ÖGD annehmen sollen.

7. Die GMK bittet den Bund, einen Forschungsschwerpunkt „ÖGD und Public Health“ im Rahmenprogramm Gesundheitsforschung aufzunehmen, um die Forschung in diesem Themenfeld entsprechend den aktuellen nationalen und globalen Herausforderungen zu befördern.

Perspektive Prävention und Gesundheitsförderung

8. Das Präventionsgesetz bietet eine konkrete Chance, eine verbesserte Gesundheit für die Bürgerinnen und Bürger zu erreichen. Der ÖGD muss aufgrund seiner in den Ländergesetzen festgeschriebenen Rolle als regionaler Koordinator in der Gesundheitsförderung eine aktive Rolle im Rahmen der Umsetzung des Präventionsgesetzes spielen. Die GMK erwartet von den Partnern der Rahmenvereinbarungen die Rolle des ÖGD anzuerkennen, zu nutzen und zu unterstützen und hierzu geeignete Formen der Einbindung zu entwickeln.

Die GMK fördert die Einbeziehung des ÖGD bei der Umsetzung der Landesrahmenvereinbarungen nach § 20 f SGB V zum Präventionsgesetz und bittet die Sozialversicherungsträger um Zusammenarbeit mit dem ÖGD.

9.Unter den neuen Rahmenbedingungen gilt es, gemeinsam auf die Nutzung und die Weiterentwicklung vorhandener tragfähiger Strukturen für die Prävention und Gesundheitsförderung auf kommunaler bzw. regionaler Ebene hinzuwirken und dazu beizutragen, dass der ÖGD dabei sein Potential zur Wirkung bringen kann. Der Koordinierung der regionalen Gesundheitsförderung und Prävention kommt dabei ein besonderer Stellenwert zu, z. B. mit Blick auf die Bedarfsfeststellung, orientierende Rahmenkonzepte oder die Qualitätssicherung. Die GMK schlägt vor, diese Entwicklung in regelmäßigen Statuskonferenzen zu begleiten und bittet den Bund und die anderen Partner hierbei um Unterstützung.

Perspektive Gesundheitsversorgung

10. Der ÖGD kann und soll bei der Planung und Gestaltung regionaler Versorgungskonzepte eine aktive Rolle spielen. Er besitzt mit seiner Kernkompetenz im Bereich der Gesundheitsberichterstattung (GBE) hierzu die erforderlichen Fachkenntnisse. Dies gilt insbesondere in ländlichen Regionen und sozialen Brennpunkten, die einerseits durch einen hohen Versorgungsbedarf und andererseits durch Verknappung von Grundversorgungsanbietern geprägt sind. Die Länder haben die Bedeutung des ÖGD bei der Steuerung dieser Prozesse erkannt und diese durch legislative Maßnahmen, die Einrichtung von sektorübergreifenden Gremien und zahlreiche Projekte zur regionalen Versorgungsplanung befördert.

Die GMK fordert auch die kommunalen Entscheidungsträger auf, diese Entwicklung zu unterstützen und die wachsende Aufgabe bei der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für den ÖGD in den Blick zu nehmen.

Zur Steigerung der Effektivität und Effizienz der Kompetenzen sowie der Gestaltungsmöglichkeiten des ÖGD bekennt sich die GMK zur Stärkung der aktiven und regelmäßigen GBE.

Fachkräftegewinnung für den ÖGD

11. Die GMK bekräftigt ihre erstmals durch die 83. GMK sowie in den Beschlüssen der 86. und 87. GMK erhobene Forderung nach arztspezifischen tariflichen und besoldungsrechtlichen Regelungen für angestellte und beamtete Ärztinnen und Ärzte im ÖGD in Anlehnung an die Vergütung in Krankenhäusern.

12. Die GMK sieht die Notwendigkeit, den ÖGD adäquat mit Ressourcen auszustatten. Sie regt auch gegenüber den kommunalen Trägern des ÖGD an, durch angemessene Stellenpläne die erforderlichen Grundlagen für die Erfüllung der umfangreichen und fachlich anspruchsvollen Aufgaben des ÖGD zu schaffen. Diese Stellenpläne sind auf der Grundlage einer gründlichen und kritischen Analyse von Art und Umfang der Aufgaben auszugestalten.

13. Die Ableistung von Ausbildungsabschnitten im ÖGD innerhalb einer Facharztausbildung einer anderen Fachrichtung kann dazu beitragen, Ärztinnen und Ärzte für eine Tätigkeit im Öffentlichen Gesundheitsdienst zu interessieren und zu motivieren. Die GMK bittet die Bundesärztekammer um Prüfung, inwieweit in bestimmten Weiterbildungsordnungen in somatischen Bereichen über die bisher bestehenden Möglichkeiten hinaus Ausbildungszeiten im Öffentlichen Gesundheitsdienst verankert werden können.

Zur Heranbildung ärztlichen Nachwuchses für den ÖGD hält es die GMK für erforderlich, bei Landesämtern und Gesundheitsämtern über die regulären Stellenpläne hinaus Weiterbildungsstellen für Ärztinnen und Ärzte vorzuhalten. Sie begrüßt, dass mehrere Länder hier bereits Möglichkeiten ergriffen haben. In diesem Zusammenhang können auch die Postgraduierten Ausbildungsangebote des RKI genutzt werden.

Die GMK sieht auch in Famulaturen von Medizinstudierenden im ÖGD eine gute Möglichkeit zur Personalgewinnung. Die Länder werden dazu geeignete Instrumente zur Vermittlung entwickeln.

14. Die GMK bittet die Bundesregierung, die Aufnahme der Daten zur Personalausstattung im Öffentlichen Gesundheitsdienst in die amtliche Statistik zu veranlassen und in Zusammenarbeit mit den Ländern die Datensätze inhaltlich abzustimmen. Die GMK strebt verbindliche, einheitliche Vorgaben zur statistischen Erfassung und Meldung des Personals im ÖGD im Sinne der Daseinsversorgung an.

Das Vorsitzland wird gebeten, diesen Beschluss der IMK, der KMK, dem BMG, der Bundesärztekammer, den Sozialversicherungsträgern, den Kommunalen Spitzenverbänden, dem BVÖGD und dem VKA zuzuleiten.

 

 Weitere Informationen unter Gesundheitsministerkonferenz

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